Sonntag, 27. August 2017

Die personifizierte Sowjetunion (Jerewan)

Den 1. Versuch, ein Ticket für den Nachtzug nach Tbilisi am Montag zu kaufen, hatten wir bereits am Freitag unternommen. Ohne Erfolg: Laut Aussage der Schalterbeamtin gibt es den Nachtzug nicht mehr. Nur einen Tagzug, der um 15:35h in Jerewan startet und Mitternacht in Tbilisi ankommt. Tickets könnten wir hier – also im superschicken, sanierten Hauptbahnhof von Jerewan, in dem es alles gibt außer Züge – kaufen. Aber nicht jetzt, sie hat jetzt nämlich Feierabend. Wir können aber gerne morgen oder am Sonntag wiederkommen, es ist jeden Tag von 9-18 Uhr geöffnet.

Am Samstag waren wir den ganzen auf unserer Kaffeefahrt nach Tatev, also kommen wir am Sonntag zurück in den Bahnhof. Es ist 10:30 Uhr, also zwischen 9 und 18 Uhr. Dennoch: „Unser“ Schalter hat geschlossen. Die anderen beiden auch. Haben wir den großen Umweg zum Bahnhof etwa völlig umsonst gemacht? Nein, haben wir nicht. Im anderen Gebäudeflügel finde ich weitere Fahrkartenschalter, zwei davon haben geöffnet. Geöffnet im Sinne von: da sitzt jemand. Auf der anderen Seite der Glasscheibe sitzt aber nicht irgendjemand – da sitzt die personifizierte Sowjetunion und blickt müde-gelangweilt auf ihr Handydisplay. Ich mache auf mich aufmerksam und frage, ob sie englisch spricht. „Yes, no problem“. Sagt sie und kann sich für ihr Handydisplay nach wie vor mehr begeistern als für den potentiellen Kunden auf der anderen Seite der Scheibe. Hätte es damals schon Handys gegeben, wäre der Sozialismus noch viel früher gescheitert. Aber wahrscheinlich hätte es im Sozialismus niemals Handys gegeben.

Erst als ich darauf bestehe, vier Tickets nach Tbilisi kaufen zu wollen, legt die Sowjetunion das Handy weg. Jetzt kommt erstmal wieder die 15:35 Uhr-Geschichte und dass es den Nachtzug nicht gibt. Wissen wir schon, passt schon. Arrival in Tbilisi erst um 0:12 Uhr. Ja, wissen wir. Und haben deshalb schon ein Hostel in Bahnhofsnähe gebucht, wo man noch nach Mitternacht einchecken kann.
Die Sowjetunion ist etwas langsam und sehr unfreundlich. Schließlich nennt sie mir den Preis. Ja, passt, viermal bitte. Plötzlich fällt ihr aber ein, dass der Nachtzug nicht fährt und es nur einen Zug gibt, der erst nach Mitternacht in Tbilisi ankommt. Ob das ok ist. Ja, verdammt nochmal, das ist ok, siehe oben. Sie sagt nochmal den Preis. Ich sage, dass ich zwei Tickets zahle und der other guy die anderen beiden Tickets. Scheint sie verstanden zu haben. Sie tippt so lange auf ihrem Taschenrechner herum, bis dort wie durch ein Wunder der Preis für zwei Tickets erscheint. Kurz darauf teilt uns die Sowjetunion mit, dass es den Nachtzug nicht gibt, sondern nur einen Zug, der um 15:35 Uhr losfährt und erst nach Mitternacht in Tbilisi ist. Ob das ok wäre.

Ich suche nach der versteckten Kamera. Und finde keine. Ich überlege mir eine Verwendung für diese furchtbare Frau in der freien Wirtschaft. Mir fällt keine ein.

Wir scherzen, dass sie uns gleich den Bus von ihrem Schwager empfehlen wird, der uns viel schneller und günstiger nach Tbilisi bringen kann. Aber wir sind ja nicht in Georgien, wo die meisten Leute immer nur ein Interesse daran hatten, uns etwas zu verkaufen. Wir sind in Armenien, wo wir gerne etwas kaufen würden. Was aber gar nicht so einfach ist.

Das mit dem getrennt zahlen funktioniert dann leider doch nicht. Aber schließlich und endlich halten wir tatsächlich vier Tickets in der Hand. Leider nicht für den Nachtzug, sondern für einen Tagzug, der morgen um 15:35 Uhr in Jerewan startet und erst nach Mittarnacht in Tbilisi ist. Aber das ist ok so.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen