Dienstag, 29. August 2017

Der besoffene Vermieter (Tbilisi)

Um 0:57 Uhr klingelt es an der Wohnungstür. Wer klingelt denn um diese Uhrzeit an der Wohnungstür? Das kann eigentlich nur der besoffene Vermieter sein.

Es ist der besoffene Vermieter. Er steht im Türrahmen und hält eine Schachtel mit Schokolade-Vanille-Eis in der Hand. Er lallt etwas, dass so ähnlich klingt wie „for sorry that I’m drunk“ und überreicht uns das Eis. Als Entschuldigung dafür, dass er so besoffen ist, schenkt er uns ein Eis. Um 0:57 Uhr. In meinen Augen bilden sich erste Tränen. Erst, als er weit genug weg ist, trauen wir uns, laut loszulachen.

Die erste Begegnung mit ihm war, wie sagt man das am besten, verwirrend. Unser Zug war pünktlich um 0:12 Uhr am hässlichen Bahnhof von Tbilisi angekommen, und wir haben uns auf die Suche nach unserem Guesthouse „Back to the USSR“ gemacht, das theoretisch direkt gegenüber vom Bahnhof sein müsste. Nur gibt es da leider kaum Hausnummern und erst recht keine Guesthouse-Beschilderung. Dafür aber umso mehr Prostituierte, zwielichtige Gestalten und seltsame Gerüche. Eine dieser zwielichtigen Gestalten ist gerade dabei, ihren Bierbauch über den Gehsteig zu balancieren und ihre Wodkafahne hinter sich herzuziehen, als sie uns erblickt. Manuel ist mutig und will die offensichtlich betrunkene Gestalt nach dem Weg fragen. Relativ schnell zeigt sich, dass dieser besoffene Mensch unser Vermieter ist! Die ersten Worte, die wir von ihm hören, sind: „You are booking.com!“

Der besoffene Mensch mäandriert vor uns über den Gehsteig, wie ich das bislang nur aus Filmen kannte. Er öffnet uns irgendwie die Haustür – es gibt weder eine Hausnummer noch irgendeinen Hinweis darauf, dass sich hinter dieser Tür ein Guesthouse verbirgt. Er begleitet uns in die Wohnung – und bleibt erstmal da. Während wir einfach nur schlafen wollen, erklärt er uns jeden einzelnen Schalter in der Wohnung. Ich bange, dass er dabei einfach umfallen könnte, so besoffen ist er. Er will uns auch das Badezimmer zeigen – wo schon längst jemand von uns duscht. Wir können ihn gerade noch so davon abbringen, die Tür zu öffnen.

Besoffsky erzählt, dass heute in Georgien Feiertag war. Manuel traut sich, zu fragen, ob er deswegen getrunken habe. „Yes, a bit“, antwortet der besoffenste Mensch der Stadt und grinst schweigend. Als er erfährt, dass wir Deutsche sind, erzählt er stolz, dass sein Opa im Krieg für die Deutschen gekämpft hat. Oh je, jetzt wird es ernst. Was antwortet man darauf? Am besten gar nichts. Einfach aussitzen, irgendwann wird er schon gehen.

Irgendwann geht er dann tatsächlich. Und kommt kurz darauf mit der Schachtel Eis zurück.



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