Freitag, 25. August 2017

20 Kilometer bis ins Paradies (Achalziche)

Wir haben ein Ticket gekriegt. Ein echter Fahrschein, auf echtem Papier. Für einen Minibus. Das ist irgendwie suspekt, irgendwas stimmt hier nicht. Immerhin, der Busbahnhof von Achalziche ist der Inbegriff von Informalität, den versprochenen durchgehenden Bus nach Jerewan gibt es nicht, jeder scheint zu machen, was er will. Also doch alles wie immer und überall in Georgien. Wir erhalten die Auskunft, dass wir mit dem Kleinbus bis nach Gjumri und von dort für 7 Lari mit einem anderen Kleinbus weiter nach Jerewan fahren können. Unsere Hoffnung, endlich mal wieder mit einem normalen, großen Bus fahren zu können, hat sich also nicht erfüllt. 

Wenn schon der alte VW-Transporter nicht bequem ist, so könnte ja vielleicht wenigstens der Fahrer etwas vernünftiger und konzentrierter sein als der, der uns gestern Abend von Borjomi nach Achalziche gefahren hat. Tollkühne Überholmanöver vorbei an langen Lkw, ohne dass man irgendwas sehen würde; eine komplett inkonsequente Geschwindigkeit – meist 70 km/h innerorts und 40 km/h außerorts, wobei der kaputte Tacho des altersschwachen Mercedes Vito stets 110 km/h angezeigt hat. Und dann noch die Sache mit dem Reiseführer: Er hat während der Fahrt – auf Russisch, eine ebenfalls im Bus sitzende Polin konnte uns Teile davon auf Deutsch übersetzen – immer wieder die Sehenswürdigkeiten und die Geschichte der Region erklärt. Einmal hat sie längere Zeit nicht übersetzt. Wir fragen Sie, was er denn da die ganze Zeit erzählt hat. Antwort: „Ach, er will nur ständig irgendwelche Geschäfte machen.“ Für Geld hätte er uns auf jeden Fall alles verkauft.
Bei seinen Ausführungen zur Geschichte der umliegenden Wasserkraftwerke und Burgruinen wusste er eine Sache nicht mehr genau. Die musste er nachschlagen. Hat er dann auch gemacht. Während der Fahrt. Während der Fahrt auf der Gegenfahrbahn, denn auf seiner eigenen Fahrbahn gab es Schlaglöcher, die seine ausgeleierten Stoßdämpfer nicht mehr verkraftet hätten. Da hat er also während der Fahrt das aufgeschlagene Buch auf dem Lenkrad liegen und liest uns daraus vor. Total irre.


Wider Erwarten haben wir es lebendig nach Achalziche geschafft. Und waren total begeistert von der Altstadt, die genaugenommen eine Festungsanlage ist. Zum Teil restauriert, zum Teil auch schon wieder mit Bauschäden versehen. Mit Kirche, Moschee und Synagoge. Und Koranschule. Und Türmen. Und Ausblicken auf die heutige Stadt (die eher nicht ganz so hübsch ist) und die umliegende Bergwelt, die ob ihrer gelblichen Trockenheit sehr an die Steppenlandschaft rund um Kars erinnert. Das ja auch tatsächlich nicht weit entfernt ist. 20 Kilometer sind es von Achalziche in die Türkei. Für uns klingt das immer noch nach „20 Kilometer bis ins Paradies“. Klar, Georgien ist wunderschön. Das Kaukasusgebirge ist beeindruckend. Aber trotzdem: Von der türkischen (Gast-)Freundlichkeit ist Georgien weit entfernt. Vom Zustand der türkischen Infrastruktur und des dortigen Transportwesens noch weiter. Vielleicht waren auch unsere Erwartungen einfach zu hoch, nachdem der Freundes- und Bekanntenkreis extrem positives Feedback aus Georgien mitgebracht hatte. Aber Georgien ist eben doch eine frühere Sowjetrepublik. Das sieht man, das riecht man und das spürt man. Wer erwartet, dass Georgien wie Russland ist, nur schöner, der wird nicht enttäuscht werden. Wer hingegen das Paradies auf Erden sucht, der sollte lieber in die Türkei reisen. Oder in Südtirol bleiben.








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